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Die Philosophie

Licht reflektiert goldene Schatten auf die Bäume am Ufer. Es duftet nach Herbst.
Möwen kreischen leidenschaftslos in der Ferne.
Nachmittagsstille, ein laues Lüftchen streicht mir übers Gesicht,
ein Geruch nach See und warmen trockenen Blättern.
Die Wasseroberfläche wie flüssiges Glas, spiegelt alles, alles,
und gibt es verzerrt in wunderschön gewellter Form wieder in die Welt zurück.

Ein Tropfen fällt auf diese farbschillernde Fläche.
Ein kleines Krönchen von Wasser springt auf, eine leise Unruhe entsteht
um diesen Tropfen herum. 

Erst einer – dann immer mehr Ringe bilden sich,
weiten sich aus,
werden flacher und ruhiger
und wellen mit den sanften Dellen der Flüssigkeit weiter,
weiter,
lösen sich scheinbar auf.
Gefühlt wellen sie gemächlich weiter und weiter,
zeitlos,
eine Ewigkeit lang.

Tiefe,

in eigenem Rhythmus;

Stille,

Sein,

eine Sekunde Ewigkeit lang

___

Ich liege auf einer weichen Unterlage, wohlige Wärme umgibt mich.
Vertrauen, geborgen sein.

Stille,
Stille die sich aufbaut;

Scheinbar aus der Mitte der Stille fahren zwei warme Hände
unter der Kuhle hinter meinen Fersen ein und legen sich sanft unter sie.
Wie zwei warme, weiche Kissen. Eine Verbindung entsteht, ich lasse los.

Ein sanfter Strom warmer Farbe weitet sich aus in eigenem Tempo
die Rückseite meiner Beine hoch,
umhüllt die Spitze des Duralschlauchsackes und gleitet sanft weiter,
ihn vollständig umgebend,
wie ein Strom wohlig warmen Wassers,
hoch entlang der Wirbelsäule,
bis zum Eingang in den Raum des Schädels zwischen Atlas und Hinterhauptbein,
umhüllt von den Bindegewebestrukturen von Tentorium und Falx her
langsam das gesamte Gehirn,
breitet sich den Geweben entlang weiter,
bis der ganze Kopfraum weich und warm eingehüllt ist
von diesem
scheinbar zeitlosen Strom aus wohliger Wärme,
warmer Farbe
und
einer Art von flüssig lichtem Atem.

Umhüllt, eingelullt, wellt es in meinem Körper weiter, den Geweben entlang, grad im Tempo der entsprechenden Gewebequalität –
weich, knöchern, fett markumgebend,
sanfte Netze in bunten Farben

flüssig und voller Moleküle,
es gluckert, strömt, stockt, fliesst, harzt, quengt sich durch,
bleibt einen Moment,
und zieht weiter,

Scheinbar ewig

in eigenem Rhythmus.

Tiefe,

Stille,

pures Sein

___

Ein saftig grünes Blattwerk über mir, hinter mir der dicke tragende Stamm eines Ahornbaumes.
Licht flimmert durch die Blätter,
die stets den Geschichten des Windes lauschen,

Ich liege auf einer Wolldecke, warm, es durftet nach Schaf und frischem Gras, das meine kleine Wollinsel umgibt.

Ich schliesse die Augen, in Rot flimmert das Licht weiter in meinen Augendeckeln; sanft, in eigenem Rhythmus, der sich mit dem meines pochenden Blutes verbindet.

Mein Atem fliesst,
stetig, von selbst, warmer Atem strömt bei jedem Ausatem durch meinen Körper, schwappt wie warmes Wasser durch mich,
stetiglich

kurzes kräftiges Einatmen,
kurze Pause,
langes, friedliches Ausatmen,
der Sauerstoff strömt durch meine Blutbahnen,
hüpft fröhlich wie auf roten runden Kissen durch die Gefässe,
bis in die kleinsten dünnsten Verästelungen
und verteilt sich dort mit den verschiedenen Molekülen
in die Gewebestruktur, welche dankbar aufnimmt.
Und wieder weitergibt, im eigenen Fluss,
Rhythmus von mir, meinem Atmen, meinem Ruhen.

Der Ausatem gibt das CO2 vom vorherigen Atemzug über Luftröhre, Nasengänge nach aussen, Pause –

Stille,

Tiefe,

pures Sein.

Eine Sekunde Ewigkeit lang.

Scheinbar aus dem Nichts
und gleichzeitig aus der Mitte dieser satten Stille heraus
strömt der nächste Atemzug in die Lungen ein, blähen diese, ziehen damit Gebrauchtes an,

Pause,

ein Rhythmus entsteht –

erfüllte Stille

Ein sanftes Summen

entsteht inmitten des nächsten Ausatems, vom Herzraum aus
einen Atemzug lang,

erzeugt etwas Unruhe, wird weich,
und strömt in weichen Wellen mit dem Atem
flüssig in den ganzen Körper aus
und fliesst stetiglich weiter
und weiter,

weiter,
bis in die kleinsten Gefässe, Strukturen, Moleküle;
umhüllt wohlig, weich,
wie in vibrierendem, flüssigem, lichtem Wasser

mein ganzes Sein.

Stille;

erfüllt vibrierend,

ähnlich dem sanften Vogelzwitschern in den umgebenden Bäumen –

in lichten Farben.

Tiefe,

pures Sein.